Journalistische Berufsethik im Jahr 2021: Speerspitze der Vertrauensbildung angesichts der Gesundheitskrise

Infolge von 257 Anfragen, davon 146 Beschwerden und 111 Auskunftsersuchen wurden 68 Verfahren eingeleitet, 43 Stellungnahmen abgegeben und 22 Mediationen durchgeführt. 2021 war für den Rat für journalistische Berufsethik wieder ein sehr arbeitsreiches Jahr, das besonders durch die Corona-Pandemie geprägt wurde. Bekräftigt wird dies durch 54 Beschwerden, die gegen die Berichterstattung über damit zusammenhängende Themen in den Medien eingegangen sind. Ein Phänomen, das mit einer Weiterentwicklung der Beschwerdeführer sowie der Medien, gegen die sich die Beschwerden richteten, einherging und bei näherer Betrachtung die wesentliche Rolle des RBJ bei der Bekämpfung des Misstrauens der Öffentlichkeit gegenüber den Nachrichtenmedien offenbart.

2020 hatte zaghaft den Weg geebnet, 2021 bestätigt den Trend über einen „bloßen“ Effekt der Medienagenda hinaus. So folgte die Zahl der registrierten Beschwerden (146) – zuzüglich 111 Informationsanfragen – zwar dem steigenden Trend der Vorjahre, doch mehr als jede dritte Beschwerde im Jahr 2021 betraf die journalistische Behandlung der Gesundheitskrise, einschließlich Impfung und Gesundheitspass. Auch wenn der Anteil unzulässiger Beschwerden höher als im Jahresdurchschnitt (65 % gegenüber 51 %) war, kam es in vier Fällen zu einer Mediation und in 14 Fällen zu einer Untersuchung, da die aufgeworfenen ethischen Fragen vom Rat entschieden werden mussten. Mit zwei Ausnahmen fühlten sich die Beschwerdeführer nicht direkt von den betreffenden Produktionen betroffen oder beeinträchtigt, sondern hatten den Wunsch bzw. das Bedürfnis, die Meinung der journalistischen Selbstregulierungsinstitution  zu ethischen Fragen zu erhalten, die speziell mit der Suche nach und der Achtung der Wahrheit zusammenhingen. Diese Tatsache ist umso interessanter als derartige Beschwerden, ganz gleich zu welchem Thema, inzwischen bedeutender sind (57 %) als die Beschwerden von Personen, die ein direktes Interesse daran haben, etwas zu unternehmen (43 %). Ob es sich dabei um eine nachdrückliche Erinnerung daran handelt, was Journalismus sein sollte, oder um eine Manifestation des Misstrauens gegenüber der Presse, wie der neue Präsident des RBJ, Marc de Haan betont, dieser Trend verdient es, hervorgehoben zu werden. Seine Ansicht ist deutlich: „Was auch immer die tieferen Beweggründe für Bürgerbeschwerden sein mögen, (…) wir müssen sie bearbeiten und fördern, denn als Demokraten pflegen wir die Demokratie“.

Fast jede zweite Beschwerde betrifft digitale Inhalte

Eine weitere Besonderheit des Jahres war, dass die Beschwerden, Akten und Stellungnahmen des RBJ in diesem Jahr noch mehr als in den Vorjahren ein breiteres Medienspektrum betrafen und damit wenig überraschend der Entwicklung der Mediennutzung folgen. Seit einigen Jahren steigt der Anteil der beanstandeten Online-Produktionen stetig an. Diese Besonderheit betrifft nun allmählich auch Informationsinhalte, die über soziale Plattformen und Netzwerke verbreitet werden. In den meisten Fällen werden die betroffenen Inhalte immer noch von den etablierten Medien produziert, die sich nun auf verschiedene Übertragungswege ausdehnen. Auch andere Medien sind nun nach und nach Gegenstand ähnlicher Beschwerden: Pure Player, Fachmedien, innovative Medien, sogenannte „alternative Medien“. Im Jahr 2021 betrafen 49 % aller Beschwerden in irgendeiner Form digitale Informationsinhalte. Der RBJ ist sich der mit diesen Medien verbundenen Herausforderungen bewusst und koordinierte im Rahmen der zweiten Auflage des EU-Projekts Media Councils in the Digital Age eine Reihe von sechs Webinaren, die sich auf die Transition von Presseräten in das digitale Zeitalter sowie auf ihre Rolle bei der Weiterentwicklung der Medien konzentrierten. Diese Gespräche zwischen den europäischen Medienräten führten zur Veröffentlichung eines Abschlussberichts: The Media Councils Debates: Facing the Challenges of the Digital Age.

Der Abbau des Rückstands ist in vollem Gange

Positiv hervorzuheben ist auch, dass sich die Bearbeitungsdauer der Fälle in diesem Jahr verbesserte und der Rückstand teilweise abgebaut werden konnte.  Ende 2021 waren 26 im Laufe des Jahres eröffnete Fälle noch in Bearbeitung, die zu neun noch anhängigen Fällen aus 2020 hinzukommen. Der Rückstand erreicht somit 38 Fälle, während er 2020 bei 42 und 2019 noch bei 46 Fällen lag. Die ersten Maßnahmen, die ergriffen wurden, um diesen Rückstand aufzuholen (Umstrukturierung der Website, Software für die administrative Verwaltung von Beschwerden, Refinanzierung seitens der AADJ* mit Verlängerung des Engagements), zeigen somit nach und nach ihre Wirksamkeit. Die Überarbeitung der Verfahrensordnung, die aufgrund der Schwierigkeit der Bildung von Arbeitsgruppen während der Gesundheitskrise verschoben wurde, sollte hier zusätzlich Abhilfe schaffen und langfristig ist die Inbetriebnahme eines automatischen Tools zur Analyse der Rechtsprechung des RBJ vorgesehen, das im Rahmen eines von der Fédération Wallonie-Bruxelles(Französische Gemeinschaft Belgiens) finanzierten Projekts entwickelt wurde. Das Tool soll später auch für Journalisten und die Öffentlichkeit zugänglich sein. Da der RBJ von seiner Rolle bei der Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Journalisten und die Öffentlichkeit überzeugt ist, arbeitet er derzeit daran, sein Leistungsspektrum  auszubauen. Eine Umfrage unter Journalisten und eine Arbeit an seinem Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit werden das Bild nach und nach vervollständigen.

Download Jahresbericht 2021 des RBJ

*Association pour l’Autorégulation de la Déontologie Journalistique, deutsch: Verband für die Selbstregulierung journalistischer Ethik

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